Anpassungen des vereinbarten Zinssatzes aufgrund „wesentlichen Änderungen der Geldmarktlage oder der kreditpolitischen Situation“ haben nach billigem Ermessen zu erfolgen, § 315 Abs. 1 BGB. Dem genügt eine Zinsänderung nur, die sich generell im Rahmen der Streubreite der Zinssätze für entsprechende Kontokorrentkredite, wie sie sich aus den Statistiken in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ergibt, und speziell im Rahmen dessen hält, was das Kreditinstitut in der fraglichen Niederlassung üblicherweise für solche Kontokorrentkredite als "Normalzins" berechnet.

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Oberlandesgericht Hamm Urteil vom 16.11.1984 Az: 20 U 132/83

 

1.    Spaltet ein Kreditinstitut aus Anlass der Vergleichseröffnung über das Vermögen des Hauptschuldners das bisher einheitlich geführte Kreditkonto in ein Hauptkonto und in ein Zinsunterkonto auf, handelt es sich dabei um einen buchungstechnischen Vorgang, der auf den Bestand der verbürgten Forderung keinen Einfluss hat.


2.    Darf das Kreditinstitut den vereinbarten Zinssatz „bei wesentlichen Änderungen der Geldmarktlage oder der kreditpolitischen Situation“ anpassen, muss die Ausübung dieses Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 Abs. I BGB nach billigem Ermessen erfolgen. Dem genügt eine Zinsänderung nur, die sich generell im Rahmen der Streubreite der Zinssätze für entsprechende Kontokorrentkredite, wie sie sich aus den Statistiken in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ergibt, und speziell im Rahmen dessen hält, was das Kreditinstitut in der fraglichen Niederlassung üblicherweise für solche Kontokorrentkredite als „Normalzins“ berechnet. Ein besonderer und individueller Risikozuschlag ist danach unzulässig.


3.    Nr. 18 Abs. 1, 14 Abs. 3 AGB der Banken ist als eine Verzugsschadenspauschalierung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich zulässig. Es ist banküblich und im Rahmen von Nr. 18 Abs. 1 und Nr. 14 Abs. 3 AGB der Banken zulässig, im Falle einer Kreditkündigung weiterhin die Zinsen wie für ungekündigte Kredite und zusätzlich eine Überziehungsprovision zu verlangen. Für diese Überziehungsprovision ist ein Satz von 3 % angemessen.

4.    Endet die Geschäftsbeziehung mit einem Kreditinstitut und damit auch das Kontokor-rentverhältnis, ist ab diesem Zeitpunkt das allgemeine Zinseszinsverbot zu beachten.


BGB §§ 315, 248, 289 Abs. 1, 765

HGB § 355

AGB der Banken Nr. 14 Abs. 3, 18 Abs. 1


Der Beklagte war geschäftsführender Gesellschafter der P.-KG in H. Mit einer von der Klägerin angenommenen Erklärung vom 21. Januar 1980 übernahm der Beklagte gegenüber der Klägerin die selbstschuldnerische Bürgschaft für die Ansprüche der Klägerin gegen die P.-KG aus bankmäßiger Geschäftsverbindung bis zum Betrage von 200.000,00 DM. Für die Abgabe der Bürgschaftserklärung wurde ein von der Klägerin entworfenes Formular benutzt. Gemäß Ziffer 1 dieses Formulars verbürgte sich der Beklagte über die Höchstbetragssumme von 200.000,00 DM hinaus auch „für Zinsen, Provisionen und Spesen der verbürgten Forderung, sowie für Kosten jeder Art, auch soweit die Zinsen usw. zum Kapital geschlagen werden und dadurch die Bürgschaftssumme erhöhen“. Nach Ziffer 2 dieser Bürgschaftsurkunde dürfte die Klägerin „Zahlungen des Hauptschuldners zunächst auf den Bürgschaftssumme übersteigenden Teil ihrer Forderungen anrechnen“. Nach Ziffer 18 dieser Bürgschaftsurkunde waren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin Bestandteil der Bürgschaftserklärung.

Der Hauptschuldnerin eingeräumte Kredit über 200.000,00 DM wurde von ihr schon von Anfang des Bürgschaftsvertrages voll in Anspruch genommen und noch überzogen. Die Klägerin erteilte der Hauptschuldnerin vierteljährliche Rechnungsabschlüsse, wobei sie die jeweils angefallenen Zinsen mitsaldierte. Nach dem Rechnungsabschluss zum 30. September 1980 betrug danach die Hauptschuld – einschließlich der saldierten Zinsen – 267.113,95 DM.
Mit Schreiben vom 7. Oktober 1980 kündigte die Klägerin der Hauptschuldnerin den Kredit, weil über deren Vermögen das Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses beantragt worden war.

Bis Eröffnung des Vergleichsverfahrens am 11. Dezember 1980 wurde der Kredit durch die Hauptschuldnerin teilweise zurückgeführt, und zwar nach einem von der Klägerin zum 11. Dezember 1981 erteilten Tagesauszug bis auf 227.590,10 DM. Um ihre Forderung im Vergleichsverfahren der Hauptschuldnerin anmelden zu könne, bildete die Klägerin zum 11. De-zember 1980 einen außerordentlichen Rechnungsabschluss. In diesen stellte sie zusätzlich zu den 227.590,10 DM die nach ihrer Ansicht in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 11. Dezember 1980 angefallenen weiteren Zinsen in Höhe von 5.947,37 DM plus 5,00 DM Bearbeitungsgebühr mit ein, so dass sie zum 11. Dezember 1980 einen Debetsaldo von 233.542,47 DM errechnete.

Aus buchungstechnischen Gründen bildete die Klägerin sodann ein Zinsunterkonto, auf dem sie alle nach ihrer Rechnung vom 21. Januar bis zum 11. Dezember 1980 angefallenen Zinsen und Zinseszinsen verbuchte, insgesamt 40.000,02 DM, so dass auf dem Hauptkonto noch ein Debet von 193.542,45 DM verblieb. Für die weitere Zinsberechnung behandelte die Klägerin Haupt- und Unterkonto aber weiterhin als ein einheitliches Konto.

Zum Jahresabschluss 1980 verbuchte die Klägerin die nach ihrer Ansicht im vierten Quartal 1980 angefallenen Zinsen in Höhe von 9.399,75 DM auf dem Zinsunterkonto. Da aber in die außerordentliche Zwischenabrechnung zu 11. Dezember 1980 schon die Zinsen für die Zeit vom 1. Oktober bis 11. Dezember 1980 in Höhe von 5.947,37 DM und 5,00 DM Bearbeitungsgebühr mit aufgenommen worden waren, somit also doppelt berechnet worden waren, schrieb die Klägerin diesen Betrag der Hauptschuldnerin auf dem Hauptkonto wieder gut, so dass sich dort das Debet auf 187.585,08 DM ermäßigte. In der Folgezeit blieb dieser Kontostand unverändert, während die Klägerin die weiteren von ihr berechneten Zinsansprüche auf dem Zinsunterkonto verbuchte.

Mit der Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung der Bürgschaftssumme von 200.000,00 DM nebst den nach ihrer Ansicht darauf angefallenen Zinsen und Zinseszinsen sowie Überziehungsprovision. Die bis zum 31.03.1982 nach ihrer Ansicht angefallenen Zin-sen, Zinseszinsen und Überziehungsprovisionen hat die Klägerin mit 88.470,56 DM errechnet. Demgemäß hat sie beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 288.470,56 DM nebst 20,5 % Zinsen seit dem 1. April 1982, 20 % Zinsen seit dem 30. Mai 1982, 16,5 % seit dem 25. Oktober 1982 und 15 % Zinsen seit dem 15. Dezember 1982 zu zahlen. Der Beklagte hat die Klage nur der Höhe nach bestritten, gleichwohl aber Abweisung der Klage in vollem Umfang beantragt. Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme in vollem Umfang stattgegeben.

Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

I.

1.    Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus Bürgschaft (§ 765 Abs. I BGB). Der Bürgschaftsvertrag ist dadurch zustandegekommen, dass die Klägerin die schriftliche Bürgschaftserklärung des Beklagten vom 21. Januar 1980 angenommen hat. Die für die folgende Entscheidung erheblichen Ziffern 1, 2, und 18 der formularmäßigen Bürgschaftserklärung halten einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGB stand und sind wirksam (vgl. zu Ziff. 1 auch BGHZ 77, 256, 259 = WM 1980, 863).

2.    Aufgrund des Bürgschaftsvertrages hat der Beklagte für den verbürgten Teil der Hauptschuld in Höhe von 200.000,00 DM nebst Zinsen und Zinseszinsen hierauf vom 21. Januar 1980 bis 9. Oktober 1980 sowie für Zinsen auf den Debetsaldo vom 9 Oktober 1980 einzustehen.


II.

Die Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin gegenüber der Klägerin waren stets höher als dieser verbürgte Betrag.

1.    Für die Zeit vom 21. Januar 1980 bis zum 30. September 1980 ist in der Berufungsinstanz unstreitig geworden, dass die Hauptforderung gegen die Hauptschuldnerin stets mehr als 200.000,00 DM betragen hat.
2.    Nachdem von der Klägerin zum 30. September 1980 erstellten Rechnungsabschluss betrug der Saldo der Hauptschuld, einschließlich der saldierten Zinsen und Zinseszinsen, zu diesem Tage 267.113,95 DM. Das wird vom Beklagten nur insoweit bestritten, als er die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Zinssätze für unbillig überhöht hält. Wie unten noch darzulegen sein wird, sind die von der Klägerin bis zum 30. September 1980 festgesetzten Zinssätze indessen nicht zu beanstanden. Demnach steht fest, dass der Saldo der Hauptschuld, einschließlich saldierter Zinsen und Zinseszinsen, zum 30. September 1982, 267.113,95 DM betrug. Der verbürgte Teil dieser Hauptschuld betrug, wie die Klägerin zutreffend errechnet hat, 200.000,00 DM zuzüglich Zinsen und Zinseszinsen in Höhe von 17.347,15 DM, insgesamt also 217.347,15 DM.


3.    Die der Hauptschuldnerin in der Zeit zwischen dem 30. September 1980 und 11. Dezember 1980 gutgeschriebenen Zahlungseingänge in Höhe von 49.523,85 DM berührten den verbürgten Teil der Hauptschuld nicht. Denn nach Ziff. 2 der Bürgschaftsurkunde war die Klägerin berechtigt, Zahlungen des Hauptschuldners zunächst auf den die Bürgschaftssumme übersteigenden Teil ihrer Forderungen anzurechnen. Das hat sie getan. Durch die der Hauptschuldnerin gutgeschriebenen Zahlungen verringerte sich das Debet der Hauptschuld auf 227.590,10 DM. Dieser Betrag ist immer noch wesentlich höher als der bis zum 30. September 1980 verbürgte Teil der Hauptschuld von 217.347,15 DM. Dass zu beiden Summen noch die für die Zeit seit dem 30. September 1980 angefallenen Zinsen hinzugerechnet werden müssen, ändert im Ergebnis nicht.


4.    Weitere als die von der Klägerin gutgeschriebenen Beträge sind nach dem 30. September 1980 auf die Hauptschuld nicht mehr geleistet worden. Der insoweit gem. §§ 768 Abs. 1 Satz 1, 362 Abs. 1 BGB behauptungs- und beweispflichtige Beklagte, der als ehemaliger geschäftsführender Gesellschafter der Hauptschuldnerin auch darlegungsfähig wäre, hat in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat seine Behauptung aufgegeben, dass der Hauptschuldnerin noch weitere Beträge gutzuschreiben gewesen wären. Demnach steht fest, dass der verbürgte Teil der Hauptschuld stets geringer war als ihr Gesamtbetrag.

5.    Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Klägerin aus Anlass der Eröffnung des Vergleichsverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin im Anschluss an den von ihr zum 11. Dezember 1980 gebildeten außerordentlichen Rechnungsab-schluss das Konto der Hauptschuldnerin aufspaltete und einerseits alle bisher angefallenen Zinsen und Zinseszinsen, auch soweit sie in den vorhergehenden Rech-nungsabschlüssen saldiert waren, auf dem Zinsunterkonto verbuchte, andererseits die nach dem 30. September 1980 erfolgte Teilrückführungen des Kredits durch die Hauptschuldnerin auf dem Hauptkonto verbuchte, so dass diese einen Betrag von weniger als 200.00,00 DM, nämlich – nach den diversen Umbuchungen – schließlich 187.595,08 DM auswies. Hierbei handelt es sich nur um einen buchungstechnischen Vorgang. Rechtlich hatte er auf den Bestand der verbürgten Forderung keinen Einfluss. Denn durch den zulässigen Rechnungsabschluss zum 30. September 1980 verschmolzen die bis dahin für die Klägerin gegen die Hauptschuldnerin entstandenen Forderungen, einschließlich der bis dahin entstandenen Zinsen und Zinseszinsansprüche, gem. § HGB zu einer einheitlichen neuen Saldoforderung. Diese konnte die Klägerin nicht einseitig durch Bildung eines Zinsunterkontos wieder auflösen. Sie wollte es auch gar nicht. Denn für die Berechnung der Zinsen hat sie in der Folgezeit die beiden Konten weiterhin wie eines behandelt.

III.

Nach alledem ist noch zu entscheiden, ob die von der Klägerin auf den verbürgten Teil der Hauptforderung in Ansatz gebrachten Zinsen, Zinseszinsen und Überziehungsprovisionen berechtigt sind.

1)    Für die Beurteilung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
a)    Solange die Klägerin den Kredit gegenüber der Hauptschuldnerin noch nicht gekündigt hatte, also mit ihr noch in laufender Geschäftsbeziehung stand, bestimmte sich die Höhe der geschuldeten Zinssätze nach der Vereinbarung im Krediteinräumungs-schreiben vom 23. Januar 1980. Darin war ein Zinssatz von 10,5 % vereinbart mit dem Vorbehalt, dass die Klägerin die Konditionen „bei wesentlichen Änderungen der Geldmarktlage oder der kreditpolitischen Situation“ anpassen durfte. Die Ausübung dieses Leistungsbestimmungsrechts musste nach § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen erfolgen, sonst war sie unwirksam (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Vorausset-zung und Maßstab für die Ausübung des billigem Ermessens sind in dem Krediteinräumungsschreiben festgelegt: nur „bei wesentlichen Änderungen der Geldmarktlage oder der kreditpolitischen Situation“ durfte der vereinbarte Zinssatz verändert werden, die Änderung musste dann der Änderung der Geldmarktlage oder der kreditpolitischen Situation entsprechen.

Diesen Anforderungen genügte eine von der Klägerin vorgenommene Zinsänderung nur,

1.    wenn sie sich einerseits generell im Rahmen der Streubreite der Zinssätze für Kontokorrentkredite unter einer Million DM hielt, wie sie sich aus den in den Mo-natsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Statistiken ergibt (die Streubreite wird von der Bundesbank aus den von ihr zugehenden Meldungen der Kreditinstitute ermittelt, indem jeweils 5 % der Meldungen mit den höchsten und den niedrigsten Zinssätzen ausgesondert werden);

2.    und wenn sie sich speziell im Rahmen dessen hielt, was die Klägerin in ihrer Nie-derlassung H. üblicherweise ihren Kunden für Kontokorrentkredite unter 1 Million DM als „Normalzinssatz“ berechnete. (Wie der Zeuge K. bekundet hat, wurden die Normal-Zinssätze von Zeit zu Zeit vom Vorstand der Klägerin festgelegt und in den jeweiligen Filialen noch den örtlichen Gegebenheiten angepasst.)
Unzulässig war demnach, dass die Klägerin gegenüber der Hauptschuldnerin dadurch höhere als in ihrer Filiale H. übliche Zinsen berechnete, dass sie ihr gegenüber auf den „Normalzinssatz“ noch einen Risikozuschlag von 2 % bzw. 1,5 % vornahm, wie dies der Zeuge K. bekundet und die Klägerin in der Berufungsinstanz noch näher erläutert hat. Ein solcher individueller nachträglicher Zinszuschlag war im Krediteinräumungsschreiben vom 23. Januar 1980 nicht vereinbart und ist auch nicht mit dem vereinbarten generellen Maßstab für die Zinsanpassung zu vereinbaren.

Soweit von der Klägerin vorgenommene Zinsfestsetzungen diesen Maßstäben nicht genügen und deshalb unwirksam sind (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB), hat der Senat gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die der Billigkeit entsprechenden Zinssätze selbst festzulegen. Geeigneter Maßstab dafür sind die durchschnittlichen Zinssätze, die die Bundesbank in ihren schon erwähnten Statistiken für Kontokorrentkredite unter einer Million DM ermittelt hat.

Allerdings werden diese Durchschnittssätze monatlich ermittelt und erfassen auch ganz unwesentliche Schwankungen der Marktzinssätze. Demgegenüber durfte die Klägerin gem. Vereinbarung im Krediteinräumungsschreiben vom 23. Januar 1980 nur bei wesentlichen Veränderungen der Geldmarktlage oder der kreditpolitischen Situation eine Zinsanpassung vornehmen. Dies ist auch bei der gerichtlichen Bestimmung der angemessenen Zinssätze zu beachten und führt dazu, dass diese Zinssätze in anderen, oft längerfristigen Zeitabständen festgesetzt werden. Dadurch wird eine genaue Übernahme der häufiger wechselnden Durchschnittszinssätze der Bundesbankstatistik zwar unmöglich. Möglich und geboten ist aber eine möglichst nahe Anlehnung an diese  Durchschnittszinssätze.

b)    Nach der Beendigung der Geschäftsverbindung zwischen der Klägerin und er Hauptschuldnerin durch Kündigung des Kreditverhältnisses waren die nunmehr geschuldeten Zinsen nach Ziffer 18.1 mit Ziffer 14.3 der AGB der Klägerin zu bestimmen. Danach ist die Klägerin berechtigt, für den fällig gestellten gesamten Kredit „statt etwa vereinbarter niedrigerer Zinsen, Gebühren und Provisionen die von der kontoführenden Stelle der Bank im Rahmen des § 315 des Bürgerlichen Gesetzbuches für Überziehungen bestimmten Zinsen, Gebühren und Provisionen“ zu verlangen. Die höheren Zinsen, Gebühren und Provisionen, die die Klägerin danach verlangen kann, sollen die ihr nach Fälligstellung des Kredites entstehenden höheren Aufwendungen und Schäden abdecken. Die Ziff. 14.3 der AGB der Klägerin enthält mithin eine Regelung der Verzugsschadenpauschalierung. Eine solche Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist dem Grundsatz nach zulässig. Die danach festgesetzten Zinsen, Gebühren und Provisionen sind aber nur wirksam, wenn sie billigem Ermessen entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB).

Die Klägerin hat nach der Kreditkündigung vom 7. Oktober 1984 die Zinsanpassungen so vorgenommen, dass sie weiterhin die Zinsen wie für ungekündigte Kredite verlangt hat (zeitweilig allerdings einschließlich eines individuellen Risikozuschlages) und zusätzlich eine von ihr bestimmte sogenannte Überziehungsprovision. Diese Art der Zinsbestimmung ist bankenüblich und im Rahmen der Ziff. 18.1 mit 14.3 der AGB der Klägerin zulässig. Für die Billigkeitskontrolle ist dabei zu beachten:

Da die Klägerin die Verzugsschadensabgeltung so vornimmt, dass sie einen gesonderten Zuschlag in Form der Überziehungsprovision zum weiterhin berechneten Zinssatz für ungekündigte Kredite verlangt, muss die Festsetzung des Normalzinssatzes auch weiterhin den oben zu III 1 a aufgestellten Billigkeitsanforderungen entsprechen.

Die zusätzlich berechnete Überziehungsprovision muss ebenfalls angemessen sein. Der Senat hält einen Satz von 3 % für angemessen, einen Satz von 4,5 % hingegen nicht mehr. Die Tatsache, dass die Klägerin in ihrer Filiale H. seit einiger Zeit in allen einschlägigen Fällen allgemein eine Überziehungsprovision von 4,5 % berechnet und die weitere Tatsache, dass wie dem Senat bekannt – auch verschiedene andere Banken dies tun, rechtfertigt eine Überziehungsprovision in dieser Höhe allein noch nicht. Das Übliche ist nicht immer auch das Billige im Sinne von § 315 BGB.

Die Tatsache, dass viele Banken – wie dem Senat bekannt – weiterhin Überziehungsprovisionen in Höhe von 3 % berechnen, weist zunächst einmal darauf hin, dass es sich hier im allgemeinen um einen den Verzugsschaden hinreichend deckenden Satz handelt. Demgegenüber wäre es Sache der Klägerin gewesen, Tatsachen vorzutragen, die eine höhere Verzugsschadenspauschale rechtfertigen würden. Da auch die Klägerin anfänglich gegenüber dem Beklagten 3 % Überziehungsprovision berechnet hat, hätte sie insbesondere auch vortragen müssen, welche Tatsache es erforderlich gemacht hat, diesen Satz nachträglich zu erhöhen. Die Klägerin hat hierzu aber nichts darzulegen vermocht.

Die nach Ziff. 18.1 und 14.3 zu bestimmenden Zinsen treten einheitlich an die Stelle der vereinbarten niedrigen Zinsen. Ungeachtet der Tatsache, dass die Klägerin diesen erhöhten Zinsanspruch dadurch errechnet, dass sie erst den Normalzinssatz für ungekündigte Kredite festsetzt und dazu dann eine Überziehungsprovision hinzurechnet, ist das Ergebnis ein neuer, einheitlicher Zinsanspruch, der eine Verzugsschadenspauschale mit enthält. Dies hat zur Konsequenz, dass die Festsetzung des gesamten Zinsanspruches nichtig ist, wenn auch nur ein Teil der ihm zugrunde gelegten Faktoren unbillig festgesetzt und nichtig ist, sei es der Normalzinssatz für ungekündigte Kredite, sei es die Überziehungsprovision. Soweit nach diesen Grundsätzen Zinsfestsetzungen der Klägerin unbillig und unwirksam sind, muss der Senat gem. § 315 die angemessenen Zinssätze festlegen. Angemessen erscheint es, nach den oben zu III 1 a festgelegten Grundsätzen einen Normalzinssatz in Anlehnung an die Durchschnittswerte der Bundesbankstatistik festzulegen und hierzu eine Überziehungsprovision in Höhe von 3 % hinzuzusetzen.

2)    Im einzelnen ergibt sich daraus folgendes:

a)    Die Zinssätze, die die Klägerin für die Zeit vom 21. Januar bis zum 30. September 1980 für den damals noch ungekündigten Kredit festgesetzt hat, entsprechen der Billigkeit. Sie halten sich im Rahmen der Streubreite der Sollzinsen für Kontokorrentkredite unter einer Million DM. Da sie außerdem durchweg nahe an den Durchschnittssätzen dieser Sollzinsen liegen, wie sie die Deutschen Bundesbank in der Statistik ermittelt hat, ist der Senat auch ohne Beweisaufnahme davon überzeugt, dass diese Zinssätze sich auch im Rahmen dessen halten, was die Klägerin zur fraglichen Zeit in ihrer Filiale in H. ihren Kunden üblicherweise berechnet hat.

Die Klägerin war vereinbarungsgemäß berechtigt, die sich hiernach ergebenen Zins-ansprüche in die vierteljährlichen Rechnungsabschlüsse mit einzusetzen und zu sal-dieren mit der Folge, dass von da ab darauf Zinseszinsen anfielen (§ 315 Abs. 1 HBG). Da der Beklagte sich nur für einen Teil der gesamten Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin, nämlich für 200.00,00 DM nebst den darauf anfallenden Zinsen und Zinseszinsen verbürgt hat, muss neben den Rechnungsabschlüssen für die Hauptschuldnerin eine Nebenrechnung für die Höchstbetragsbürgschaft durchgeführt werden, die den auf den verbürgten Höchstbetrag von 200.000,00 DM anfallenden Anteil der Zinsen und Zinseszinsen ausweist. Diese Rechnung hat die Klägerin vorgelegt. Sie entspricht den hierzu von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen (BGHZ 77, 256, 259 = WM 1980, 863) und ist nicht zu beanstanden. Gem. dieser Rechnung schuldet der Bürge der Klägerin zum 20. September 1980 einschließlich Zinsen und Zinseszinsen einen Betrag von 217.347,15 DM.

b)    Mit Schreiben vom 7. Oktober 1980 hat die Klägerin gegenüber der Hauptschuldnerin wegen der Beantragung des Vergleichsverfahrens das Kreditverhältnis mit sofortiger Wirkung gekündigt und damit die Geschäftsbeziehung beendet. Dieses Schreiben ist der Hauptschuldnerin unstreitig zugegangen, nach der Überzeugung des Senats entsprechend dem gewöhnlichen Postlauf am 9. Oktober 1980. Gem. ZIff. 18.1 der AGB der Klägerin in Verbindung mit § 355 Abs. 3 HGB wurde damit der Saldo des für die Hauptschuldnerin geführten Kontokorrents sofort fällig. Die Klägerin hat zwar versäumt, zu diesem Tag einen außerordentlichen Rechnungsabschluss zu erstellen und die fällig gewordenen Forderungen zu errechnen. Doch kann dies nachgeholt werden. Dem zum 30. September 1980 verbürgten Teil der Hauptschuld in Höhe von 217.347,15 DM sind die darauf bis zum 9. Oktober 1980 angefallenen weiteren Zinsen noch hinzuzurechnen.

Der für die Zeit ab 1. Oktober 1980 von der Klägerin gegenüber der Hauptschuldnerin festgesetzte Zinssatz von 13,75 % liegt allerdings oberhalb der Streubreite der Bundesbankstatistik (bis 13,50%) und ist gem. den oben III 1 a dargelegten Grundsätzen nichtig (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Stattdessen hat der Senat einen der Billigkeit entsprechenden Zinssatz festzusetzen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Gem. den oben III 1 a dargelegten Grundsätzen ist ein Zinssatz in Höhe des Durchschnittswertes der Bundesbankstatistik angemessen, nämlich ein Zinssatz von 12,5 %.

Danach errechnet sich für die Zeit vom 30. September bis 9. Oktober 1980 ein Zinsanspruch von 679,21 DM, der zu dem Betrag von 217.347,15 DM hinzuzurechnen ist. Zum 9. Oktober 1980 schuldete der Bürge mithin der Klägerin einschließlich Zinsen und Zinseszinsen einen Betrag von 218.026,36 DM.

c)    Mit der Kündigung des Kreditverhältnisses und der Beendigung der Geschäftsbeziehungen zum 9. Oktober endete auch die damit verbundene Kontokorrentabrede zwi-schen der Klägerin und der Hauptschuldnerin. Damit trat zu diesem Zeitpunkt das allgemeine Zinseszinsverbot der §§ 248 Abs. 1, 289 Abs. 1 Satz 1 BGB ein. Die Klägerin konnte für die Folgezeit Zinsen auf den Saldo vom 9. Oktober 1980, aber keine Zinseszinsen mehr verlangen. Allerdings konnte sie nunmehr gem. Ziff. 18.1 und Ziff. 14.3 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen statt der vereinbarten niedrigen Zinsen höhere Zinsen verlangen, die sie gem. § 315 BGB nach billigem Ermessen festzusetzen hatte.

1.    Die von der Klägerin ab dem 10. Oktober 1980 getroffenen Zinsfestsetzungen entsprechen nicht der Billigkeit und sind deshalb gem. § 315 BGB Abs. 3 Satz 1 BGB nichtig. Sie verstoßen mindestens gegen einen, zum Teil gegen mehrere der oben für die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts im Sinne des § 315 BGB festgelegten Grundsätze.
(I)    Die bis Ende Februar 1981 geltend gemachten „Normalzinsen“ in Höhe von 13,75 % lagen oberhalb der Obergrenze der Streubreite in der Bundesbankstatistik (13,50 %).
(II)    (1) Für die Zeit ab März 1981 ist die Zinsbestimmung durchgängig deshalb unbillig, weil die Klägerin eine überhöhte Überziehungsprovision von 4,5 % verlangt. Für mehrere Zeitabschnitte treten aber noch weitere Unwirksam-keitsgründe hinzu:

(2) So liegt die Bestimmung des neben der Überziehungsprovision berechneten „Normalzinssatzes“ für viele Zeitabschnitte oberhalb der Obergrenze der Streubreite der Bundesbankstatistik, nämlich für die Zeit vom 6. Mai 1981 bis 30. Juni 1981, vom 1. Oktober 1981 bis 30. September 1982; vom April 1983 bis zum Tage der Urteilsverkündung.

(3) Außerdem ist die Festlegung des „Normalzinssatzes“ für die Zeit vom 1. April 1982 bis 15. Dezember 1982 auch deshalb unbillig, weil diese Zinssätze nicht den „Normalzinssätzen“ entsprechen, die die Klägerin in ihrer Filiale H. ihren Kunden üblicherweise berechnet hat. Nach den Bekundungen des Zeugen K., die die Klägerin in zweiter Instanz bestätigt hat, hat sie in dieser Zeit nämlich die von ihrem Vorstand festgelegten „Normalzinssätze“ mit einem individuellen „Risikozuschlag“ von 2 % bzw. 1,5 % an die Hauptschuldnerin weitergegeben. Für einen solchen individuellen Risikozuschlag gibt es keine Rechtsgrundlage.

Möglicherweise sind in den Zinssätzen, die die Klägerin für die Zeit vor dem 1. April 1982 festgesetzt hat, ebenfalls solche unbilligen Risikozuschläge enthalten. Der Zeuge K. hat bei der erstinstanzlichen Beweisaufnahme dazu keine Erklärung abgegeben, weil er danach nicht gefragt worden ist. Doch kommt es darauf nicht an, weil die Zinsfestsetzungen durch die Klägerin bereits aus den oben dargestellten anderen Gründen unbillig und unwirksam sind.

(4) Schließlich besteht auch noch die Möglichkeit, dass die Zinsfestsetzungen der Klägerin für die Zeit vom September 1982 bis April 1983 deshalb unbeachtlich sind, weil das Vorbringen der Klägerin hierzu teilweise unklar und in sich widersprüchlich ist. Für diese Zeit stimmen die Zahlen der mit der Klage geltend gemachten Zinssätze zum Teil nicht mit den Zahlen in der dazu vorgetragenen Begründung und mit den Zahlenangaben des Zeugen K. überein. Teilweise unterscheiden sich darüber hinaus die vom Zeugen K. angegebenen Zinsbeträge von denen, die die Klägerin in der Klagebegründung vorgetragen hat. Doch kann dies alles offenbleiben, da die Zinsfestsetzungen der Klägerin schon aus den oben angegebenen weiteren Gründen unbillig und darum nichtig sind.

2.    Anstelle der unwirksamen Zinsbestimmungen sind gem. § 315 Abs. 1 Satz 3 BGB in Verb. M. Ziff. 18.1 und Ziff. 14.3 der AGB der Klägerin folgende Zinssätze zu bestimmen: (wird ausgeführt) zuzüglich jeweils 3 % Überziehungsprovision.

3.    Entsprechend dem Klagebegehren sind die in der Zeit seit Beendigung der Geschäftsverbindung mit der Hauptschuldnerin (9. Oktober 1980 bis zum 31. März 1982) fällig gewordenen Zinsen gem. den vom Senat festgesetzten Zinssätzen zu kapitalisieren. Das ergibt einen Betrag von 55.927,39 DM, der dem zum 9. Oktober 1980 festgestellten Saldo von 218.026,36 DM noch hinzuzurechnen ist, während die Zinsen ab 1. April 1982 antragsgemäß in der zulässigen Höhe als Ne-benforderung zuzusprechen sind.

Insoweit ist die Berufung unbegründet. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.