Der Darlehensnehmer wird dadurch benachteiligt, dass die Zinsen jeweils bis zum Jahresende trotz zwischenzeitlich fortschreitender Tilgung noch nach dem Kapitalstand am Schluss des Vorjahres berechnet werden. Eine solche Regelung erhöht den effektiven Jahreszins, ohne dem Darlehensnehmer irgendeinen Vorteil als Ausgleich zu bieten.

 

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Bundesgerichtshof
Urteil vom 24.11.1988
III ZR 188/87

Tatbestand


Die Beklagte, eine Hypothekenbank, gewährte den Klägern im Mai 1977 zwei Grundschulddarlehen über 113.000,-- DM und 13.000,-- DM. Bei Fälligkeit am 1. April 1982 wurden diese Darlehen bis zum 31. März 1987 verlängert, außerdem ein weiterer Darlehensvertrag über 12.650,-- DM mit gleicher Laufzeit geschlossen. Für alle drei Darlehen wurde jeweils der vereinbarte Nominalzins von 6,5 % bzw. 8 % ebenso wie der Tilgungssatz von 1 % in Vertragsformulare der Beklagten eingetragen; darin hatten die Bestimmungen über "Verzinsung, Tilgung, Nebenleistungen" 1977 folgende - 1982 nur unwesentlich geänderte - Fassung:

1.    Das Darlehen ist vom Tag der Auszahlung am mit … v. H jährlich zu verzinsen und vom 1. Januar an mit  … v. H. jährlich zuzüglich der durch die fortschreitende Minderung des Kapitals ersparten Zinsen zu tilgen. Von diesem Zeitpunkt ab ist somit zur Verzinsung und Tilgung eine gleichbleibende Jahresleistung von … v. H. des ursprünglichen Darlehensbetrages zu entrichten. Die in der Jahrsleistung enthaltenen Zinsen werden jeweils nach dem Stand des Kapitals am Schluss des vergangenen Tilgungsjahres berechnet.


2.    (gestrichen)


3.    Die vorstehenden Leistungen sind in vierteljährlichen Teilbeträgen zu entrichten und zwar jeweils am 1. März, 1. Juni, 1. September und 1. Dezember für das laufende Kalendervierteljahr.

Die Kläger halten die AGB-Regelung über die Zinsberechnung jeweils nach dem Kapitalstand des Vorjahres für unwirksam. Auf ihre Klage hat das Landgericht (WM 1986, 1432) festgestellt, "dass bei den von den Klägern aufgenommenen Darlehen ... für die Berechnung der Zinsen während der gesamten Vertragsdauer der jeweilige Tilgungsstand maßgeblich ist, wie er sich bei sofortiger Verrechnung der in den erbrachten Quartalsraten jeweils enthaltenen Tilgungsleistungen ergibt." Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens haben die Kläger die Darlehen fristgerecht zum 31. März 1987 in der von der Beklagten geforderten Höhe zurückgezahlt, nachdem die Beklagte sich vorher bereit erklärt hatte, im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung zugunsten der Kläger den Restschuldenstand rückwirkend neu zu berechnen und den Unterschiedsbetrag zurückzuerstatten. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen (vgl. WM 1987, 838). Dagegen richtet sich die Revision der Kläger; sie begehren die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe


Die Revision hat Erfolg.


I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt: Die Klage sei zulässig, weil die begehrte Feststellung eine endgültige Klärung der zwischen den Parteien streitigen Rechtsfragen herbeiführe und die Beklagte danach die sich daraus ergebenden Ansprüche erfüllen werde. Die Klage sei jedoch unbegründet: Die streitige Zinsberechnungsklausel sei weder überraschend (§ 3 AGBG) noch unklar (§ 5 AGBG). Auch liege in der Vereinbarung des Nominalzinssatzes keine vorrangige Individualabrede (§ 4 AGBG). Der richterlichen Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBG sei die Klausel zwar nicht nach § 8 AGBG entzogen.

Sie halte ihr jedoch stand, weil die vereinbarte Zinsberechnung weder mit wesentlichen Grundgedanken des Darlehensrechts unvereinbar sei noch den Darlehensnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige: Sie verletzte das Transparenzgebot nicht und könne sich auf § 20 Abs. 2 des Hypothekenbankgesetzes (HBG) stützen. Diese Norm gelte weiter, obwohl die Gründe, die zu ihrer Schaffung geführt hätten, nicht mehr beständen; eine Korrektur sei aber Sache des Gesetzgebers.


Diese Begründung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.


II. 1. Nach den Vereinbarungen der Parteien enthielten die von den Klägern als Darlehensnehmern in gleichbleibender Höhe zu erbringenden Zahlungen jeweils neben den Zinsen auch einen Tilgungsanteil, der zu Beginn 1 % der Darlehenssumme betragen und später jeweils um den Betrag ansteigen sollte, um den die Zinsen sanken. Die Tilgungsanteile der vierteljährlichen Zahlungen waren stets sofort zu verrechnen; denn jede Tilgungsleistung führt gemäß § 362 BGB im Zeitpunkt der Zahlung zu einer entsprechenden Verminderung des noch geschuldeten Darlehenskapitals. Darüber besteht zwischen den Parteien Einigkeit. Die AGB der Beklagten enthielten insoweit keine Abweichung von der gesetzlichen Regelung.


Im Streit ist die Frage, ob sich - wie die Kläger meinen - die vierteljährlich eintretende Verminderung des Darlehenskapitals jeweils auch sofort auf die Höhe der für die Folgezeit geschuldeten Zinsen auswirken musste oder ob die Darlehensgeberin die Zinsen noch während des ganzen Jahres nach dem Kapitalstand am Schluss des Vorjahres berechnen durfte; dieses Recht nimmt die Beklagte für sich in Anspruch und beruft sich auf die entsprechende Zinsberechnungsklausel im letzten Satz des Absatzes I der Darlehensbedingungen.


2. Diese Klausel erfüllt die Voraussetzungen des § 1 AGBG: Die Beklagte hat sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. Unstreitig ist die Klausel auch gemäß § 2 AGBG Vertragsbestandteil geworden.
Die Auffassung der Kläger, gemäß § 4 AGBG komme der streitigen Klausel keine Bedeutung zu, weil die Parteien mit der Vereinbarung des in das Darlehensformular eingetragenen Zinssatzes eine vorrangige Individualabrede getroffen hätten, ist vom Berufungsgericht mit Recht abgelehnt worden.

Der individuell vereinbarte Nominalzins ist nur ein - wenn auch zentraler - Berechnungsfaktor für die Höhe der vom Darlehensnehmer für die Kapitalnutzung zu erbringenden Vergütung; er ist nicht mit dem effektiven Jahreszins gleichzusetzen. Hierfür sind vielmehr üblicherweise weitere, der Parteivereinbarung unterliegende Faktoren mitbestimmend, wie z.B. die Zahlungs-termine. Die Kläger konnten nicht davon ausgehen, dass die vorformulierte Darle-hensurkunde hier überhaupt keine weiteren Bestimmungen über die Zinsberechnung enthielt oder dass grundsätzlich solche AGB-Bestimmungen aufgrund der individuellen Festsetzung des Nominalzinses ihre Bedeutung verlieren sollten.


3. Ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen der §§ 3 und 5 AGBG mit Recht verneint hat, kann dahinstehen. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass objektive Auslegungszweifel gemäß § 5 AGBG nicht bestehen, die Klausel vielmehr eindeutig die von der Beklagten vorgenommene Zinsberechnung rechtfertigt, und wenn man eine solche Regelung auch nicht als ungewöhnlich im Sinne des § 3 AGBG werten will, muß doch jedenfalls die Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG zur Unwirksamkeit der Klausel führen (zum Verhältnis der §§ 3, 5 AGBG zu § 9 AGBG vgl. Lindacher in Wolf/Horn/Lindacher AGBG 1. Aufl. § 3 Rn. 6, 7 und § 5 Rn. 2, 3; Ulmer in Ulmer/Brandner/ Hensen AGBG 5. Aufl. § 3 Rn. 5 und § 5 Rn. 4).


4. Die Kontrollfähigkeit der Klausel nach § 8 AGBG hat das Berufungsgericht mit Recht bejaht.


a) Ausgenommen von der Inhaltskontrolle sind zum einen nämlich die AGB-Bestimmungen, die rein deklaratorisch den Inhalt einer ohnehin geltenden gesetzlichen Regelung wiederholen (Senatsurteil BGHZ 91, 55, 57 m. w. Nachw.). Dazu gehört die streitige AGB-Klausel nicht: Ohne sie wäre die Beklagte nicht berechtigt, den vereinbarten Zinssatz jeweils für das ganze Jahr - ohne Rücksicht auf die während des Jahres erbrachten Tilgungsleistungen - nach dem Kontostand am Schluss des Vorjahres zu berechnen. Das Gesetz enthält keine entsprechende Regelung. Im Gegenteil ergibt sich, obwohl eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung fehlt, aus dem Rechtscharakter des Darlehens als gegenseitigem Vertrag, dass die vereinbarten Zinsen als Gegenleistung für die Kapitalnutzung nur für die Nutzungsdauer nach Maßgabe der noch offenen Kapitalschuld zu entrichten sind (Canaris NJW 1987, 609, 610, 615).


Auch § 20 Abs. 2 HBG spricht nicht gegen eine Inhaltskontrolle der streitigen AGB-Klausel. Die Vorschrift trifft nicht etwa selbst eine entsprechende gesetzliche Regelung, sondern erlaubt nur deren vertragliche Vereinbarung. Abzulehnen ist die im Schrifttum vertretene Auffassung, in analoger Anwendung des § 8 AGBG seien auch solche AGB-Klauseln nicht kontrollfähig, die durch eine tatbestandlich klar fixierte Erlaubnisnorm wie § 20 Abs. 2 HBG gedeckt seien (Canaris aaO S. 611). Diese Auffassung entspricht weder dem Wortlaut noch dem Sinn des § 8 AGBG: Auch eine AGB-Klausel, die nur einen vom Gesetz ausdrücklich eröffneten Gestaltungsspielraum nutzt, "ergänzt" die gesetzliche Regelung im Sinne des § 8 AGBG. Die einseitige Ausübung vertraglicher Gestaltungsfreiheit durch AGB unterliegt besonderen inhaltlichen Begrenzungen; deren Einhaltung zu gewährleisten, ist Aufgabe der Inhaltskontrolle nach §§ 9-11 AGBG (vgl. Löwe NJW 1987, 937, 938; Kolhosser ZIP 1986, 1429, 1435; ferner BGH Urteil vom 12. März 1987 - VII ZR 37/86 = BGHZ 100, 157, 179 zu § 651 h BGB).


b) § 8 AGBG lässt zum anderen keine Inhaltskontrolle über solche AGB-Bestimmungen zu, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und den dafür zu zahlenden Preis unmittelbar regeln. Deren Festlegung ist grundsätzlich Sache der Vertragsparteien; es gibt vielfach gar keine gesetzliche Preisregelung, die bei Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung gemäß § 6 Abs. 2 AGBG an deren Stelle treten könnte. Eine Ausnahme gilt aber für Nebenbestimmungen, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Solche Nebenabreden unterliegen gemäß § 8 AGBG der Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGBG (BGHZ 93, 358, 360/361 m. w. Nachw.).


Die hier streitige AGB-Klausel gehört zu den kontrollfähigen Nebenabreden. Beim Darlehensvertrag stellt der Zins zwar die Hauptleistung des Darlehensnehmers dar. Die Vereinbarung der Zinshöhe unterliegt daher - abgesehen von § 138 BGB - grundsätzlich keiner gerichtlichen Kontrolle. Die streitige Klausel regelt aber nicht den zu zahlenden Zinssatz. Sie ergänzt nur die darüber getroffene individuelle Vereinbarung, und zwar in einer Weise, die von der sonst geltenden gesetzlichen Regelung abweicht und zu einem höheren effektiven Jahreszins führt. Eine solche Klausel unterliegt nach dem Schutzzweck des § 8 AGBG der Inhaltskontrolle. Das Gesetz geht nämlich davon aus, dass der Durchschnittskunde der Vereinbarung über die Haupt-leistung mehr Aufmerksamkeit widmet als den Nebenpunkten (Senatsurteil BGHZ 95, 362, 370).

So wird der Darlehensnehmer sein Augenmerk in erster Linie auf den ver-einbarten Nominalzinssatz richten. Dagegen besteht die Gefahr, dass ihm eine AGB-Klausel, die erst im Zusammenspiel mit einer anderen Vertragsregelung zu einer Verteuerung des Kredits führt, überhaupt nicht oder nicht in ihrer Bedeutung auffällt. Eine solche Klausel birgt damit für den Kunden gerade die Gefahr, die das AGB-Gesetz abwenden will (Senatsurteil BGHZ 95, 362, 371).

5. Der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG hält die streitige Klausel nicht stand.

Der Darlehensnehmer wird dadurch benachteiligt, dass die Zinsen jeweils bis zum Jahresende trotz zwischenzeitlich fortschreitender Tilgung noch nach dem Kapitalstand am Schluss des Vorjahres berechnet werden. Eine solche Regelung erhöht den effektiven Jahreszins, ohne dem Darlehensnehmer irgendeinen Vorteil als Ausgleich zu bieten.

§ 9 AGBG setzt jedoch weiter voraus, dass die Benachteiligung des Kunden gegen Treu und Glauben verstößt und unangemessen ist. Dabei ist hier zu unterscheiden:

a) Die Zinsberechnung des Beklagten ist nicht bereits deshalb zu missbilligen, weil sie von der - ungeschriebenen - Regel des Darlehensrechts abweicht, dass der vereinbarte Zinssatz grundsätzlich jeweils von der tatsächlich noch bestehenden Kapitalschuld berechnet wird (vgl. oben zu II 4 a). Diese Regel gehört nicht zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, die nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG durch AGB nicht abbedungen werden dürfen. Banken berechnen ihre Kreditzinsen nicht selten nach einem fingierten Kapitalbestand (vgl. Krümmel Bankzinsen S. 62, 74, 82 ff.), ohne dass die Rechtsprechung entsprechende AGB-Regelungen grundsätzlich missbilligt hätte.

So werden die Zinsen bei Ratenkrediten üblicherweise für die gesamte Laufzeit nach einem Monatszinssatz vom ursprünglichen Darlehens-kapitalbetrag berechnet, obwohl die zu verzinsende Kapitalschuld sich aufgrund der laufenden Ratenzahlungen ständig vermindert. Fingierte Zinsrechnungsfaktoren können hingenommen werden, wenn ihre Auswirkungen für den Kunden hinreichend erkennbar gemacht werden, wie es beim Ratenkreditvertrag durch die Angabe der Ge-samtbelastung und des effektiven Jahreszinssatzes geschieht.

Auch die AGB einer Hypothekenbank können nicht deswegen allein beanstandet werden, weil die Bank sich darin das Recht ausbedingt, den vereinbarten Nominalzins zeitweise von einem fingierten Kapitalstand zu berechnen, und so eine erhöhte Effektivverzinsung erreicht. Zur inhaltlichen Rechtfertigung einer derartigen Zinsberechnungsmethode können sich Hypothekenbanken vielmehr auf § 20 Abs. 2 HBG berufen. Diese Vorschrift beschränkt sich in ihrem Wortlaut zwar auf das Verbot, Jahreszinsen von einem höheren Betrag als von dem für den Schluss des Vorjahres sich ergebenden Restkapital zu berechnen. Im Gegenschluss ergibt sich daraus aber zu-gleich positiv ein entsprechender Gestaltungsfreiraum.

Wie der Gesetzesbegründung (RT-Drucks. 10/106 S. 40) zu entnehmen ist, war es bereits bei Erlass des Hypothekenbankgesetzes üblich, die Jahresleistungen in halb- oder vierteljährlichen Teilzahlungen zu erbringen, trotzdem aber die Zinsen für das ganze Jahr nach dem Kapitalstand am Schluss des Vorjahres zu berechnen. Das Recht der Hypothekenbanken hierzu sollte in § 20 Abs. 2 HBG klargestellt werden (Gesetzesbegründung aaO). Diese Klarstellung kann auch nicht auf Individualvereinbarungen beschränkt werden; sonst bliebe die Vorschrift ohne wesentliche praktische Bedeutung; denn Hypothekenbanken setzen ihre Vertragsbedingungen üblicherweise - bei Erlass des Hypothe-kenbankgesetzes wie heute - einseitig durch AGB fest (vgl. § 15 HBG). Durch § 20 Abs. 2 HBG werden AGB, die von dem gewährten Gestaltungsfreiraum Gebrauch machen, zwar nicht der Inhaltskontrolle nach § 9 völlig entzogen (vgl. oben zu II 4 a); § 20 Abs. 2 HBG kann aber bei der Prüfung, ob eine bestimmte AGB-Regelung den Kunden entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, nicht unberücksichtigt bleiben.

Das ändert sich auch nicht dadurch, dass der durch § 20 Abs. 2 HBG eröffnete Ge-staltungsfreiraum inzwischen seine innere Rechtfertigung weitgehend verloren hat. Diese Rechtfertigung sah der Gesetzgeber bei Erlass des Hypothekenbankgesetzes in den unverhältnismäßigen Schwierigkeiten, die sich ergaben, wenn für jede Teilzahlung Amortisation und Zinsen besonders berechnet werden müssen (Gesetzesbegründung aaO). Diese Schwierigkeiten bestehen unstreitig nicht mehr, seit alle Hypothekenbanken EDV-Anlagen zur Zinsberechnung benutzen. Diese tatsächliche Entwicklung mag das Gewicht des § 20 Abs. 2 HBG im Rahmen der nach § 9 AGBG gebotenen Abwägung vermindern; sie rechtfertigt es aber nicht, die Vorschrift, zu deren Änderung der Gesetzgeber auch bei der jüngsten Novellierung des Gesetzes (Gesetz zur Änderung des HBG vom 8. Juni 1988 - BGBl. I, 710) keinen Anlass gesehen hat, gänzlich unberücksichtigt zu lassen.

b) Die streitige Klausel ist hier aber deshalb zu missbilligen, weil die AGB der Beklagten die zinssteigernde Wirkung dieser Klausel für den Kunden nicht hinreichend deutlich erkennbar werden lassen.
Treu und Glauben verpflichten den Verwender von AGB, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Brandner in Ulmer/ Brandner/Hensen AGBG 5. Aufl. § 9 Rn. 77). Ein Verstoß gegen dieses "Transparenzgebot" kann zur Unwirksamkeit gemäß § 9 Abs. 1 AGBG führen (vgl. BGH Urteile vom 29. September 1983 - VII ZR 225/82 = NJW 1984, 171, 172 und vom 11. März 1987 - VIII ZR 203/86 = WM 1987, 755, 756 = ZIP 1987, 713, 715; BGHZ 97, 65, 73; Köndgen NJW 1987, 160, 164; M. Wolf EWiR § 9 AGBG 11/87, 635; s. auch Bader BB 1986, 543, 545). Wenn eine Nebenabrede ihre preiserhöhende Wirkung nicht hinreichend erkennbar werden lässt, sondern sie verschleiert, kann gerade das den Ausschlag geben, die Regelung als eine unangemessene Benachteiligung des Kunden zu bewerten.

Abzustellen ist dabei - ebenso wie bei § 3 AGBG - nicht auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkreten Vertragspartners, auch nicht auf das Verständnis eines Fachmanns, insbesondere eines Juristen, der sich eingehend mit den betreffenden AGB beschäftigt hat. Maßgebend sind vielmehr die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden (vgl. BGH Urteile vom 24. September 1980 - VIII ZR 273/79 = NJW 1981, 117, 118; vom 23. Mai 1984 - VIII ZR 27/83 = NJW 1985,850, 851; vom 30. Oktober 1987 - V ZR 174/86 = BGHZ 102, 152, 159 = BGHR AGBG § 3 - Grundschuldsicherungsabrede 4 -). Verträge über Hypothekendarlehen werden in zunehmendem Maße auch von Privatpersonen abgeschlossen, die erst- oder einmalig Grundbesitz erwerben und über keine Finanzierungserfahrungen verfügen. Eine Hypothekenbank muss daher ihre AGB möglichst so gestalten, dass auch solchen Kunden die preiserhöhende oder sie sonst benachteiligende Wirkung einer Klausel nicht erst nach intensiver Beschäftigung oder aufgrund ergänzender Auskünfte deutlich wird.

c) Diesen Anforderungen genügen die AGB der Beklagten hier nicht. Die den Darlehensnehmer benachteiligende Wirkung der streitigen Klausel ergibt sich nicht unmittelbar aus ihrem Wortlaut und auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang des Absatzes I der Darlehensbedingungen: In dessen ersten Sätzen wird geregelt, wie viel an Zinsen und Tilgung der Darlehensnehmer jährlich zu leisten hat. Der ganze Absatz I legt - allein gelesen - die Annahme nahe, diese Jahresleistung sei jeweils am Jahresende zu erbringen, wie es für die Zinsen auch das Gesetz in § 608 BGB als Regel vorsieht. Geht man aber davon aus, so erscheint die im letzten Satz des Absatzes festgelegte Zinsberechnung nach dem Kapitalsaldo am Schluss des Vorjahres nur als selbstverständliche Konsequenz der vorgesehenen Jahresleistung.

Erst in Absatz III der Darlehensbedingungen wird dann festgelegt, dass die "Jahresleistung" nicht jeweils am Jahresende, sondern schon im Laufe des Jahres in vierteljährlichen Teilbeträgen zu entrichten ist. Damit enthält dieser Absatz selbst eine Regelung, die zu Ungunsten des Kunden von § 608 BGB abweicht. Diese Abweichung ist für den Kunden klar erkennbar und auch sachlich nicht zu beanstanden. Durch Absatz III erhält aber zugleich auch noch der letzte Satz des Absatz I eine preiserhöhende Wirkung. Diese zusätzliche Benachteiligung des Kunden ergibt sich erst aus dem Ineinandergreifen der beiden Regelungen. Die Aufgabe, diese Konsequenz durch Zusammenschau zu erkennen, überfordert den Durchschnittskunden. Seine Vorstellung wird - einer ungeschriebenen Regel des Darlehensrechts entsprechend (vgl. oben zu II 4 a) - von dem Grundsatz geprägt, dass bereits zurückgezahlte Darlehensbeträge bei der Zinsberechnung nicht mehr berücksichtigt werden. Wenn die Beklagte durch AGB hiervon abweichen wollte, war sie nach Treu und Glauben verpflichtet, dem Kunden den ihn belastenden Zusammenhang zwischen dem letzten Satz des Absatzes I und Absatz III deutlicher zu machen, statt ihn zu verschleiern.

Diese Verpflichtung zu erfüllen, hätte der Beklagten keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereitet: Möglicherweise hätte bereits eine Einarbeitung der Regelung des Absatzes III in den Absatz I die für den Kunden nachteilige Bedeutung der vorgesehenen Zinsberechnung nach dem Vorjahreskapitalsaldo durchschaubar machen können; hierfür geeignete Formulierungen zu suchen und vorzuschlagen, ist nicht Aufgabe des Senats (vgl. Senatsurteil BGHZ 83, 301, 309).

Auf jeden Fall hätte aber die zusätzliche Angabe des Effektivzinses, wie sie inzwischen die neue Preisangaben VO vom 14. März 1985 (BGBl. I, 580) in § 4 zwingend vorschreibt, die von der Beklagten beabsichtigten Konsequenzen der streitigen Regelung auch für den Durchschnittskunden hinreichend deutlich erkennbar gemacht.

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, der Darlehensnehmer könne ihren AGB alles für seine Kalkulation Wichtige entnehmen, die Höhe der gleichbleibenden Jahresleistung und die vierteljährlichen Zahlungstermine seien eindeutig angegeben. Für den Darlehensnehmer sind nicht nur diese beiden Daten von Bedeutung. Er muss auch wissen, wie lange er bei gleichbleibendem Zinssatz bis zur vollständigen Tilgung Zahlungen in der angegebenen Höhe leisten muss bzw. wie hoch aufgrund dieser Zahlungen noch die Restschuldsumme ist, wenn der Darlehensvertrag - wie hier in Absatz IV der Darlehensbedingungen - deren Fälligkeit nach bestimmter Zeit, vor vollständiger Tilgung, vorsieht. Nur wenn der Kunde darüber Klarheit gewinnt oder wenigstens den sich aus dem Zusammenspiel der Darlehenskonditionen ergebenden effektiven Jahreszins kennt, ist ihm ein Preisvergleich mit den Angeboten anderer Banken möglich. Die Kläger haben von der Beklagten weder einen Tilgungsplan noch eine Effektivzinsberechnung erhalten; beides sah der vorformulierte Darlehensvertrag nicht vor.

d) Auf § 20 Abs. 2 HBG kann sich die Beklagte in dem jetzt behandelten Zusammenhang nicht mit Erfolg berufen. Diese Vorschrift ist zwar bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob und wie weit eine Hypothekenbank sich in ihren AGB überhaupt eine Zins-berechnung nach einem höheren als dem tatsächlichen Kapitalstand ausbedingen darf (vgl. oben zu II 5 a). Dem § 20 Abs. 2 HBG lässt sich aber nichts zur Beantwortung der entscheidenden Frage entnehmen, ob die konkrete AGB-Regelung der Beklagten für den Vertragspartner hinreichend durchschaubar gestaltet worden ist. Das ist zu verneinen. Die Beklagte durfte daher für die drei streitigen Darlehensverträge von Anfang an Zinsen jeweils nur nach dem Kapitalstand berechnen, der sich bei sofortiger Verrechnung der vierteljährlichen Tilgungsleistungen ergab.

e) Die Kläger können in vollem Umfang eine rückwirkende Neuberechnung fordern. Auch wenn die Beklagte bei der Kalkulation des vereinbarten Nominalzinses von einer Wirksamkeit der streitigen AGB-Regelung ausgegangen ist, wird ihr Vertrauen darauf nicht geschützt. Der Verwender, nicht sein Vertragspartner trägt das Risiko der von Anfang an bestehenden Unwirksamkeit, auch bei Klauseln, die zunächst geraume Zeit unbeanstandet geblieben sind und deren Unwirksamkeit schließlich erst nach längerer Prozessdauer gerichtlich festgestellt wird. Daran ändert auch eine frühere Überprüfung und Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde nichts (vgl. Ulmer in Ul-mer/Brandner/Hensen AGBG 5. Aufl. § 3 Rn. 8; BGH Urteil vom 14. November 1984 - IVa ZR 60/83 = NJW 1985, 971).

6. Zur Klarstellung weist der Senat auf folgendes hin:

a) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind Darlehensverträge aus der Zeit nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes (1. April 1977). Auf früher abgeschlossene Darlehensverträge ist dieses Gesetz nach § 28 Abs. 1 AGBG nicht anwendbar. Zwar stellt § 9 AGBG vielfach nur eine Kodifizierung vorher bereits entwickelter und an § 242 BGB orientierter Rechtsgrundsätze dar (Senatsurteil BGHZ 97, 212, 214). Auch die Grundsätze, die hier zur Missbilligung der streitigen AGB-Klausel führen, wurzeln letztlich bereits in § 242 BGB. Ihr entscheidendes Gewicht haben sie aber erst durch das AGB-Gesetz erhalten.

Sein Inkrafttreten fiel zeitlich in etwa mit dem Abschluss einer Entwicklung zusammen, die dem § 20 Abs. 2 HBG seine rechtspolitische Rechtfertigung entzog: Die buchhalterischen Schwierigkeiten einer taggenauen Zinsberechnung entfielen, nachdem spätestens Mitte der 70er Jahre von allen Banken hierfür EDV-Anlagen eingesetzt wurden oder eingesetzt werden konnten (Köndgen NJW 1987, 160, 165; Kolhosser ZIP 1986, 1429, 1439). Wenn eine Hypothekenbank trotzdem in ihren AGB weiter den Gestaltungsfreiraum des § 20 Abs. 2 HBG ausnutzen wollte, war sie in verstärktem Maße gehalten, ihren - rechtsunkundigen - Kunden die belastenden Konsequenzen entsprechender Zinsberechnungsklauseln eindeutig klarzumachen. Das Inkrafttreten des AGB-Gesetzes hätte Veranlassung zu einer entsprechenden Neufassung der AGB sein müssen.

b) Eine Stellungnahme zu der Frage, ob sich die Bank gegenüber Ansprüchen des Darlehensnehmers, die sich aus der gebotenen Zinsneuberechnung ergeben, auf die Verjährung nach § 197 BGB berufen kann (vgl. Canaris NJW 1987, 609, 616/617), erscheint dem Senat hier nicht geboten. Die Feststellungsklage beschränkt sich auf die Berechnung der Zinsen und ergreift nicht die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Im übrigen hat die Beklagte sich, bevor die Kläger die von ihr geforderte Restschuldsumme während des Berufungsverfahrens zahlten, für den Fall einer rechtskräftigen Entscheidung zugunsten der Kläger uneingeschränkt bereit erklärt, den sich aus der Neuberechnung ergebenden Unterschiedsbetrag zurückzuerstatten.