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Amtsgericht Greifswald
Urteil vom 22.11.2012
43 C 151/12

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Greifswald durch den Richter am Amtsgericht Haubold am 22.11.2012 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2012 für Recht erkannt:

1.    Die Beklagte wird verurteilt, für die Kreditinanspruchnahme des Klägers zu dem Konto 95 XXX ab dem 01.01.2011 eine Zinsabrechnung in Höhe von 2,5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu erteilen.
2.    Es wird festgestellt, dass die Beklagte bis zur Erteilung der Abrechnungen entsprechend Ziff. 1 des Urteils nicht berechtigt ist, von dem Kläger Zins- und Tilgungsleistungen für den Kredit zum Konto 95 XXX zu verlangen.
3.    Die Kosten des Rechtstreits hat die Beklagte zu tragen.
4.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung der  Kosten des Klägers durch Sicherheitsleistungen in Höhe von 400,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Auskunft und Zahlung aus einem Immobilienverbraucherdarlehensvertrag.

Zwischen den Parteien bestehen langjährige Geschäftsverbindungen in Form von Immobiliendarlehensverträgen.

Unter anderem schlossen die Parteien am 21.01.1998 unter der Nr. 95 XXX einen Vertrag über ein Darlehen in Höhe von 102.258,38 €.

Dieses valutierte im Januar 2008 noch über einen Betrag in Höhe von 86.450,56 €.

Bezüglich dieses Vertrages schlossen die Parteien im Januar 2008 einen Änderungsvertrag, durch welchen das Darlehen ab dem 03.01.2008 mit 6,75 % jährlich zu verzinsen war.

Der Zinssatz wurde bis zum 30.12.2010 festgeschrieben.

Handschriftlich findet sich auf einer Ausfertigung des Vertrages die Bemerkung, dass ab dem 30.12.2010 die Verzinsung variabel sein soll.

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für Kredite und Darlehen heißt es unter 6. wie folgt:

„Soweit nichts anderes vereinbart ist, ist die Bank berechtigt, einen variablen Zinssatz den Veränderungen ihrer wechselnden und bei Vertragsabschluss oft nicht überschaubaren künftigen Refinanzierungsmöglichkeiten anzupassen. Zinsschwankungen am Geldmarkt werden an den sich ändernden Durchschnittssätzen für EURIBOR-Dreimonatsgeld erkennbar, die jeweils für den vorausgehenden Monat in den Monatsberichten der Deutschen Bank veröffentlicht werden.

Die Bank überprüft den Zinssatz spätestens zum Ende eines jeden Monats. Erhöht sich der letzte veröffentlichte Monatsdurchschnitt für den EURIBOR-Dreimonatsgeld gegenüber dem bei Vertragsschluss bzw. bei der letzten Konditionsanpassung ermittelten Monatsdurchschnitt um mindestens 0,25 Prozentpunkte, so kann die Bank den Zinssatz unter Berücksichtigung ihrer Refinanzierungsmittel mach billigem Ermessen (§ 315 BGB) anheben; entsprechend wird die Bank den Vertragszinssatz nach billigem Ermessen senken, wenn sich der Monatsdurchschnitt für EURIBOR-Dreimonatsgeld um mindestens 0,25 Prozentpunkte ermäßigt hat. Bei der Leistungsbestimmung wird sich die Bank an der Zinsgestaltung orientieren, die bei Vertragsabschluss bestanden hat.“

Nach Ablauf der Zinsbindungsfrist vereinbarten die Parteien keine weiteren Zinssätze.

Der Kläger begehrte zunächst, den fällig werdenden festverzinslichen Kredit mit einem marktgerechten variablen Zinssatz bis zum 30.05.2011 zu verlängern.

Hierauf ist die Beklagte nicht eingegangen, sondern hat dem Kläger in dem bisherigen Zeitraum Mitteilungen über Zinssatzänderungen zukommen lassen, die wie folgt formuliert wurden:

„…aufgrund der Geld- und Kapitalmarktentwicklung passen wir ab dem … für ihr obiges Darlehenskonto den Zinssatz von … auf … an.“

Die von der Beklagten ab dem 01.01.2011 geltend gemachten Zinssätze lagen zwischen ca. 6 % und 8 %.

Die Parteien streiten über die Höhe der von dem Kläger zu zahlenden Zinssätze.


Der Kläger beantragt,

1.    die Beklagte zu verurteilen, für die Kreditinanspruchnahme des Klägers zu den Kontonummern 95 XXX ab dem 01.01.2011 eine Zinsrechnung in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 2,5 % über dem Basiszinssatz zu erteilen und
2.    festzustellen, dass die Beklagte bis zur Erteilung der berichtigenden Abrechnung nicht berechtigt ist, von dem Kläger Zins- oder Tilgungsleistungen für den Kredit zum Konto Nr. 95 XXX zu verlangen


Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.

Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichtes einen Anspruch auf Erteilung einer korrekten Mitteilung über die jeweiligen Zinsanpassungen entsprechend dem gesetzlichen Zinssatz in Höhe von 2,5 % über dem Basiszinssatz gemäß den §§ 503 Abs. 1 und 2, 488, 491 Abs. 1 493 Abs. 3 BGB in Verbindung mit dem Art. 247 § 15 EGBBG.
Die Beklagte hat zur Überzeugung des Gerichtes entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht die korrekten Voraussetzungen angegeben, nach denen im Rahmen eines variablen Zinssatzes Änderungen vorgenommen werden dürfen.

Aus der Angabe „aufgrund der aktuellen Geld- und Kapitalentwicklung“ in den Zinsanpassungsmitteilungen der Beklagten wird zum einen nicht deutlich, ob die Bank sich an sachgerechten Kriterien, insbesondere dem EURIBOR-Dreimonatsgeld, wie in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten selbst angeben, orientiert, oder ob weitere Umstände für die Beklagte bestanden, die Anpassungen des Zinssatzes vorzunehmen.

Vor diesem Hintergrund ist es für einen Bankkunden nicht mehr möglich vorherzusehen, auf welche Art und Weise die Anpassung durch die Bank vollzogen wird.

Zum anderen handelt es sich bei der Zinsanpassung „aufgrund der aktuellen Geld- und Kapitalmarktentwicklung“ und der Zinsanpassung gemäß einem Referenzzinssatz, z. B. EURIBOR, um unterschiedliche Begriffe, bei denen nicht ohne weiteres von dem einen auf den anderen Begriff geschlossen werden kann.

Des Weiteren hat der Kläger zur Überzeugung des Gerichtes einen Anspruch über eine variable Zinsanpassung in Form einer Berechnung ab dem 01.01.2011 in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatzes.

Dies ergibt sich zum einen darauf, dass zur Überzeugung des Gerichtes die diesbezüglichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, namentlich die Nr. 6, gemäß den §§ 305 Abs. 1, 309 Nr. 10 BGB unwirksam sind.

Bei den Formulierungen in Nr. 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten handelt es sich um eine sogenannte Nebenpreisabrede, die vom Verwender einseitig gestellt und für eine Vielzahl von Verträgen Verwendung findet.

Zweck der Klausel ist die einseitige Änderung bereits festgelegter Gegenleistungen.

Ein solches Zinsanpassungsrecht des Verwenders benachteiligt den Vertragspartner nur dann nicht unangemessen, wenn das Äquivalenzverhältnis gesichert ist, die Klausel mithin eine Bindung des Darlehensgebers in Hinblick auf den Umfang des Kostenanstiegs vorsieht und eine Verpflichtung der Bank enthält, Kostenminderungen an den Kunden weiterzugeben.

Dagegen ist es wie hier nicht ausreichend, dass die Beklagte die vom Kunden zu erbringende Gegenleistung „nach billigem Ermessen“ senken wird (vgl. BGH, Entscheidung vom 21.04.2009).

Eine unangemessene Benachteiligung liegt auch darin, dass mit der Formulierung auch bei kundenfreundlichster Auslegung nur zum Ausdruck gebracht wird, dass etwas passieren soll, aber nicht muss.

Die von der Beklagten in Nr. 6 benutzte Formulierung ist nicht ausreichend, um eine bindende Verpflichtung der Beklagten selbst anzunehmen.

Im Übrigen kann zur Überzeugung des Gerichtes auch nicht nach § 309 Nr. 1 BGB die unwirksame Klausel im Wege ergänzender Vertragsauslegung durch eine vertragliche Auslegung, wonach der sich nach dem EURIBOR entsprechende Referenzzinssatz als unbedingter vertraglicher Mindestzinssatz gilt, vorgenommen werden.

Vielmehr fällt durch die Unwirksamkeit der Klausel diese ersatzlos weg. Eine Rettung dieser Klausel durch eine geltungserhaltende Reduktion, indem die Senkung bzw. Erhöhung des Zinssatzes nun nicht mehr „nach billigem Ermessen“, sondern unbedingt erfolgen soll, widerspricht der Intention des Gesetzgebers, die Unwirksamkeit der Norm dem Bedingungssteller aufzuerlegen.

Insbesondere würde hierdurch die Möglichkeit entfallen, von der Erhöhung nach billigem Ermessen absehen zu können.

Dagegen beruht die Herabsetzung auf den gesetzlichen Zinssatz nach § 503 Abs. 2 BGB der gesetzgeberischen Erwartung, dass die tatsächlich vereinbarten Zinssätze auf einen vom Gesetzgeber als akzeptabel angesehenes Maß reduziert werden.

Eine Schutzwürdigkeit der Beklagten, einen Zinssatz über den gesetzlichen Zinssatz nach § 503 Abs. 2. BGB hinaus zu erlangen oder die Erwartung des Klägers, eine Erhöhung könne ausnahmsweise ausfallen, besteht zur Überzeugung des Gerichts dagegen nicht.

Nachdem die Parteien es nach Auslaufen der Festbindungsschrift versäumt haben, eine wirksame Regelung zu treffen, erscheint die Lösung bzgl. Des gesetzlichen Zinssatzes nach § 503 Abs. 2 BGB der einzig zulässige Zinssatz zu sein, auch unter Beachtung der beiderseitigen Interessen der Parteien.

Unter Zugrundelegung des in diesem Rechtsstreit niedriger als dem geforderten Zinssatz anfallenden gesetzlichen Zinssatzes hat der Kläger auch zur Überzeugung des Gerichtes ein Interesse daran, bis zur konkreten Mitteilung und Berechnung des zu zahlenden Zinsbetrages feststellen zu lassen, die weitere Zahlung gemäß den §§ 320 Abs. 1, 503 Abs. 1, 488 Abs. 1, 491 Abs. 1, 493 Abs. 3 BGB in Verbindung mit Art. 247 § 15 EGBGB zurückzuhalten.

Die Mitteilung soll den Forderungen des Gesetzgebers auch den Darlehensnehmer und Verbraucher transparent über den tatsächlich geschuldeten Darlehenszinssatz informieren.

Fehlt es an einer hinreichenden transparenten Mitteilung wie im vorliegenden Fall, kann der Darlehensnehmer bis zur korrekten Leistungserfüllung die Einrede der Nichterfüllung geltend machen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 708 Nr. 11, 711 BGB.

Der Streitwert war auf 1.000,00 € festzusetzen.