Ein erweiterter Auskunftsanspruch gegen ein Kreditunternehmen bezüglich Unterlagen, die dem Kunden bereits vorlagen, ist nach § 666 BGB insbesondere dann gerechtfertigt, wenn das Kreditunternehmen unstreitig rechtswidrig Gebühren erhoben hat.

 

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Amtsgericht Siegen
Urteil vom 07.10.1999
12 C 480/99

Auskunftsanspruch

Ein erweiterter Auskunftsanspruch gegen ein Kreditunternehmen bezüglich Unterlagen, die dem Kunden bereits vorlagen, ist nach § 666 BGB insbesondere dann gerechtfertigt, wenn das Kreditunternehmen unstreitig rechtswidrig Gebühren erhoben hat.


Aus den Gründen:

Die Klage ist als Stufenklage gemäß § 254 BGB zulässig.

Die Klage ist hinsichtlich der ersten Stufe begründet. Hinsichtlich der zweiten Stufe kann derzeit noch keine Entscheidung getroffen werden, so dass das Teilurteil zu er-gehen hat. Den Klägern steht der Auskunftsanspruch im tenorierten Umfang gegenüber den Beklagten gemäß §§ 675, 666 BGB zu. Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Kläger für die Zeit des Bestehens ihres Girokontos von der Beklagten regelmäßig Kontoauszüge und Rechnungsabschlüsse mit allen in das Kontokorrent eingestellten Zahlungsvorgängen erhalten haben. Die Erfüllung dieser Verpflichtung durch die Beklagten schließt nicht automatisch weitere Ansprüche der Kläger nach § 666 BGB aus. Vielmehr sind Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht jeweils nach den konkreten Umständen des Einzelfalls nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§242 BGB) zu bestimmen. Insoweit entspricht es der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Kreditunternehmen gemäß § 242 BGB in bestimmten Fällen einem „weiteren“ Auskunftsanspruch der Kunden ausgesetzt sind, trotzdem sie ihrer Verpflichtung zur Vorlage regelmäßiger Kontoauszüge und Rechnungsabschlusse zu-nächst nachgekommen sind (BGH, NJW 1985,2699). Der Bundesgerichtshof stellte in dem zitierten Urteil zugrundeliegenden Fall fest, dass das Kreditunternehmen dem Kunden gegenüber zur Ergänzung bestimmter ihm fehlender Kontounterlagen gemäß § 242 BGB verpflichtet sein kann, wenn nicht das vorliegen besonderer Umstände etwas anderes gebietet. Außerdem nahm der Bundesgerichtshof eine Pflicht der Kredit-unternehmen zur ergänzenden Auskunft bezüglich den Kunden schon vorliegender Un-terlagen an, wenn diese Auskunft zur Überprüfung der Richtigkeit der Unterlagen notwenig ist. Darüber hinaus wurde jedoch in dieser Entscheidung ein umfassender Anspruch auf Rechnungslegung nach Beendigung des Girovertrages als unzumutbare Belastung des Kreditunternehmens für den Regelfall ausgeschlossen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich der zuerkannte Auskunftsanspruch der Kläger aus §§ 675, 666, 242 BGB unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und glauben im Hinblick auf die Konkreten Umstände. Die Beklagte berechnete den Klägern in der Vergangenheit für die Nichtausführung von Daueraufträgen und Überweisungen sowie für die Rückgabe von Schecks oder Lastschriften mangels Deckung jeweils mindes-tens 15,00 DM nach ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen. Mit Urteil vom 21.10.1997 hatte der Bundesgerichtshof diese bisher durchaus übliche Praxis für Kre-ditinstitute als unzulässig beurteilt, was die beklagte vorliegend in rechtlicher Hinsicht auch nicht beanstandet. Da den Klägern die von der Beklagten ausgestellten Erstaus-fertigungen der Kontoauszüge nicht mehr vorliegen und ihnen eine Überprüfung be-züglich unberechtigt erhobener Gebühren somit nicht möglich ist, können sie von der Beklagten eine solche Auskunft verlangen, die es ihnen ermöglicht, ihren dem Grunde nach unzweifelhaft bestehenden Anspruch der Höhe nach zu beziffern und durchzu-setzen. Insofern liegen besondere Umstände vor, die einen „erweiterten“ Auskunftsan-spruch gemäß § 666 BGB für die Kläger rechtfertigen und die Auskunftsverpflichtung der Beklagten nicht als unzumutbare Belastung für diese erscheinen lassen. Insofern unterscheidet sich dieser Fall auch vom Regelfall, wonach grundsätzlich kein „weiterer“ Auskunftsanspruch der Kunden gegeben ist, da die Beklagte hier unstreitig in rechts-widriger Weise Gebühren erhoben hat. Es wäre mit dem Gedanken von Treu und Glauben unvereinbar, wenn nunmehr die Kläger ihren unzweifelhaft bestehenden Rückforderungsanspruch wegen fehlender Unterlagen nicht durchsetzen könnten bzw. wenn sich die Beklagte die erforderliche Auskunft als selbständige Dienstleistung be-sonders vergüten lassen würde. Die Kläger mussten nicht damit rechnen, dass die Be-klagte in rechtswidriger Weise Gebühren erhob, sie mussten deshalb auch nicht aus diesem Grund ihre Unterlagen aufbewahren.

Wenn schon höchstrichterlich eine Pflicht der Kreditunternehmen zur ergänzenden Auskunft bezüglich Unterlagen, die dem Kunden schon vorliegen, für den Fall aner-kannt wird, dass diese Auskunft zur Überprüfung der Richtigkeit der vorhandenen Un-terlagen notwendig ist (BGH, NJVV 1985, 2699), so muss im vorliegenden Fall erst recht eine Auskunftspflicht bestehen. Hier steht nämlich definitiv fest, dass die Unterla-gen unrichtig sind und es geht nur um die Frage, in welchem Umfang diese Unrichtig-keit besteht. Die Beklagte ist nicht gemäß § 242 BGB berechtigt, die Auskunft zu ver-weigern bzw. für die Auskunft eine besondere Vergütung zu verlangen. Insofern liegen keine besonderen Umstände vor, die dies aus Sicht der Beklagten rechtfertigen wür-den. Insbesondere ist das Auskunftsbegehren der Kläger nicht rechtsmissbräuchlich, da diese einerseits durch Vorlage des noch vorhandenen Kontoauszuges für Mai 1997 mit viermaliger Gebührenbelastung für Lastschriftrückgaben belegt haben, dass ein be-rechtigtes Interesse an der Auskunft besteht und dies im übrigen von der Beklagtenseite auch nicht bestritten worden ist. Der Auskunftsanspruch der Kläger ist ferner nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beklagte rein tatsächlich nicht in der Lage wäre, die Buchungsunterlagen des fraglichen Zeitraumes einzusehen. Abgesehen davon, dass insofern eine sechs Jahre dauernde Aufbewahrungszeit gemäß § 257 Abs. 4 HGB gilt, hat die Beklagte dies auch nicht behauptet.