Forderungen, gegen die die Aufrechnung erklärt werden soll, müssen nach § 387 BGB fällig sein. Die bloße Erfüllbarkeit nach § 271 Abs. 2 BGB genügt bei der einseitigen Erklärung nicht. Jedoch können durch einen Aufrechnungsvertrag die Voraussetzungen der einseitigen Aufrechnung ausgeschlossen werden.

 

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Bundesgerichtshof Urteil vom 29.09.1969 Az: II ZR 51/67

 

Leitsatz

Verbleibt der indossierte Wechsel nach Ablehnung des Diskonts ohne Widerspruch des Einreichers bei der Bank nach deren Hinweis, er solle zur Verminderung des Debets des Einreichers eingezogen werden, so ist nach der Verkehrssitte und den im Bankverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen das Verhalten des Einreichers dahin aufzufassen, dass der Wechsel treuhänderisch zur Sicherung des Debets der Bank zu Eigentum übertragen wird.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm (Westf.) vom 5. Dezember 1966 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revision übertragen wird.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin nimmt als Inhaberin folgender Wechsel:
1.  über 11.116 DM, ausgestellt am 1. März 1965, fällig am 1. Juni 1965,
2.  über 14.000 DM, ausgestellt am 19. März 1965, fällig am 19. Juni 1965,
den Beklagten als Verwalter im Konkurs über das Vermögen der Akzeptantin (im Folgenden: die Beklagte) in Anspruch. Die Wechsel sind ausgestellt von J N, Agentur und Vertretung in M. Auf der Rückseite der Wechsel befindet sich ein auf die Klägerin lautendes Indossament des Ausstellers.


Die Klägerin hat gegen die Beklagte ein Wechselvorbehaltsurteil über 25.116 DM nebst Zinsen und Wechselunkosten erwirkt.
Im Nachverfahren hat die Klägerin beantragt, das Urteil für vorbehaltlos zu erklären. Die Beklagte hat seine Aufhebung und die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat behauptet, die Klägerin habe die Wechsel, deren Diskontierung sie abgelehnt habe, nur zum Einzug für N erhalten. Die diesem gegenüber begründeten Einwendungen könnten daher auch der Klägerin entgegengehalten werden. Sie habe die Aufrechnung mit einer Wechselforderung gegen N auf Grund eines am 3. Februar 1965 ausgestellten, am 4. Mai 1965 fälligen Wechsels über 25.000 DM erklärt, den N akzeptiert hatte. Zudem habe die Klägerin schon bei Übergabe der Wechsel an sie gewusst, dass N der Beklagten ein Akzept über 25.000 DM gegeben habe und dass, wenn es nicht eingelöst werde, gegen die beiden Klagwechsel aufgerechnet werden würde.


Die Klägerin hat geltend gemacht, dass die von ihr nicht diskontierten Wechsel mit Billigung des Ausstellers bei ihr verblieben seien, so dass sie ein Pfand- und Sicherungsrecht an ihnen erworben habe. Sie hat bestritten, bei der Hereinnahme der Wechsel etwas von einem Akzept N über 25.000 DM gegenüber der Beklagten gewusst zu haben.
Das Landgericht hat das Wechselurteil für vorbehaltlos erklärt, das Oberlandesgericht hat es aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klagantrag mit der Maßgabe weiter, dass die Forderungen aus den Klagwechseln nebst Zinsen und Wechselunkosten zur Konkurstabelle festgestellt werden. Der Konkursverwalter der Beklagten beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Beklagte gegenüber den im Juni 1965 fälligen Forderungen aus den Klagwechseln den Einwand der Aufrechnung mit einer Gegenforderung aus dem Akzept N vom 3. Februar 1965 über 25.000 DM, fällig am 4. Mai 1965, gehabt habe. Dieser Einwand könne auch gegenüber der Klägerin erhoben werden, weil diese nur zur Einziehung der in ihrer Hand verbliebenen, nicht diskontierten Klagwechsel ermächtigt worden sei. Bereits die Darlegungen zur Aufrechnung unterliegen rechtlichen Bedenken.


Das Berufungsgericht lässt außer Betracht, dass gegen eine noch nicht fällige Wechselforderung die Aufrechnung durch einseitige Erklärung nicht möglich ist (Art. 40 Abs. 1 WG). Die Regelung des § 271 Abs. 2 BGB, nach der im Zweifel der Schuldner die Leistung vor Fälligkeit bewirken kann, gilt für den Wechsel nicht.


Es fehlte mithin die für eine wirksame Aufrechnung von § 387 BGB geforderte Erfüllbarkeit der Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll. Ferner war die Wechselforderung, mit der aufgerechnet werden sollte, nicht fällig. Der Wechsel über 25.000 DM verfiel erst am 4. Mai 1965. Die Forderung, mit der aufgerechnet wird, muss nach § 387 BGB fällig sein. Erfüllbarkeit (§ 271 Abs. 2 BGB), wie sie das Berufungsgericht ausreichen lassen will, genügt nicht. Diese Grundsätze gelten aber nur für die durch einseitige Erklärung zu bewirkende Aufrechnung. Eine andere Lage kann sich daraus ergeben, dass die Parteien einen Aufrechnungsvertrag geschlossen haben, bei dem die Voraussetzungen der einseitigen Aufrechnung nicht vorzuliegen brauchen, also z.B. die Fälligkeit und die Erfüllbarkeit fehlen können (RGZ 104, 188).


Die Beklagte hatte eine solche vereinbarte Aufrechnung nicht aufrechenbarer Ansprüche unter Beweisantritt behauptet, indem sie ausführte, der persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten habe bei Hingabe der Klagwechsel im März 1965 dem Aussteller N erklärt, wenn er sein Akzept über 25.000 DM nicht einlöse, werde gegen die Forderung aus den Klagwechseln aufgerechnet und würden die Klagwechsel nicht bezahlt. Dieser Vortrag war dahin zu verstehen, dass N dem nicht widersprochen hatte und dass eine Vereinbarung dahin zustande gekommen sei, bei Nichteinlösung des Akzepts über 25.000 DM seien die Klagwechsel erledigt. Die Klägerin hatte diese Behauptung bestritten und ihrerseits behauptet, die Aufrechnung mit dem Wechsel über 25.000 DM sei ausgeschlossen worden (Schriftsatz vom 14. Januar 1966 Bl. 30 GA und Schriftsatz vom 29. November 1966 Bl. 83 GA).
Der Aufrechnungseinwand ist hiernach vom Berufungsgericht rechtlich nicht einwandfrei beurteilt worden und wird gegebenenfalls weiterer Erörterung bedürfen.

II.
Ferner ist die Frage, ob ein gegenüber der Firma N begründeter Einwand gegenüber der Klägerin erhoben werden kann, vom Berufungsgericht nicht zutreffend behandelt worden.
Das Berufungsgericht hält die für die Klägerin streitende Rechtsvermutung nach Art. 16 Abs. 1 WG für widerlegt. Es sieht als erwiesen an, dass die Klagwechsel von der Klägerin weder sofort noch später diskontiert noch als Depotwechsel mit Sicherungsabrede erworben worden sind. Die Wechsel seien lediglich mit der Ermächtigung zur Einziehung für den Aussteller Neumann in ihrer Hand geblieben.


Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin rechtlich nicht zutreffend gewürdigt hat. Die Klagwechsel wurden für den Aussteller N durch den Kaufmann W, der nach Angabe der Beklagten damals für N die Geschäfte führte (Bl. 15 GA), bei der Klägerin zum Diskont mit dem Blankoindossament des Ausstellers eingereicht. Der Diskont wurde abgelehnt. Der Zweigstellenleiter der Klägerin S erklärte nach der Darstellung der Beklagten, "er könne die Wechsel nur im Portefeuille behalten und werde sie bei Fälligkeit der Beklagten zur Einlösung vorlegen. Wenn sie eingelöst würden, würde er den Gegenwert dem Konto der Firma N gutbringen" (Bl. 15 GA). Die Firma N stand damals bei der Klägerin erheblich im Debet (nach Angaben der Klägerin mit 192.000 DM).

Die Wechsel sind daraufhin bei der Klägerin verblieben. Zu Unrecht sieht das Berufungsgericht in diesem unstreitigen Sachverhalt lediglich eine Einziehungsermächtigung der Klägerin. Es vermisst grundlos eine schlüssige Darlegung der Klägerin, welches Angebot sie nach Ablehnung der Diskontierung an N oder seine Vertreter bezüglich der Wechsel gemacht habe und dass eine klare Sicherungsabrede getroffen worden sei.Die bloße Hereinnahme zum Einzug hat, wie das Berufungsgericht meint, dem Interesse der Klägerin durchaus genügt. Die Klägerin müsse die Unklarheit, als was die Wechsel nun eigentlich gegeben und genommen worden seien, gegen sich gelten lassen, zumal Nachrichten über nicht ausgeführte Diskontierungen erteilt worden seien. Dem ist nicht zu folgen.


Die Einreichung der Wechsel nur zum Diskont schloss die Entstehung eines Pfandrechts nach Nr. 19 AGB der Banken aus (BGH WM 1968, 695). Die Erklärungen der Klägerin nach Ablehnung der Diskontierung, sie wolle die Wechsel im Portefeuille behalten und den Erlös nach Eingang auf das Debet gutbringen, ergab nach den allgemeinen Gepflogenheiten im Bankverkehr, dass es sich nicht nur um die Einziehung der Wechsel im alleinigen Interesse des Auftraggebers handelte, sondern dass die Wechsel auch als Mittel für die eigene Befriedigung der Bank bei dieser verbleiben sollten (BGHZ 5, 285, 293; vgl. Nr. 42 Abs. 4 AGB der Banken). Es war Sache des Einreichers der Wechsel, der Erklärung der Klägerin zu widersprechen und die Rückgabe der Wechsel zu fordern, wenn er sie nicht einem Sicherungsrecht der Klägerin unterwerfen wollte. Die widerspruchslose Belassung der Wechsel im Besitz der Klägerin nach deren deutlichem Hinweis, sie sollten zur Verminderung des Debets eingezogen werden, war nach der Verkehrssitte und den im Bankverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen (§ 157 BGB; § 346 HGB) dahin aufzufassen, dass die Wechsel mit dem Indossament treuhänderisch zur Sicherung des Debets N der Bank zu Eigentum übertragen wurden (sog. Sicherungstreuhand). Weitere Darlegungen der Klägerin über das Zustandekommen einer Sicherungsabrede waren entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nötig. Hiernach kommt es auch nicht mehr darauf an, ob N auch ausdrücklich, wie die Klägerin behauptet und unter Beweis gestellt hatte, damit einverstanden war, dass die Wechsel zur Sicherung ihrer Forderungen dienen sollten.


Aus der Sicherungstreuhand folgt, dass die Einwendungen des Wechselschuldners, die sich auf seine unmittelbaren Beziehungen zum Sicherungsgeber gründen, im Verhältnis zum Sicherungstreuhänder ausgeschlossen sind, soweit dessen Sicherungsinteresse reicht, d.h. in Höhe des Schuldsaldos (Art. 17 WG), es sei denn, dass der Inhaber des Wechsels bei dem Erwerb bewusst zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat (Art. 17 WG).

III.
Nur unter der Voraussetzung eines bewussten Handelns zum Nachteil der Beklagten wäre mithin der Einwand der vereinbarten Aufrechnung der an sich nicht aufrechenbaren Ansprüche auch gegenüber der Klägerin begründet. Das Berufungsgericht hat diese Frage -- von seinem Standpunkt aus zu Recht -- nicht geprüft.
Die Beklagte hatte behauptet, dass der für N das Geschäft führende Kaufmann W dem Filialleiter der Klägerin bei Übergabe der Klagwechsel gesagt habe, sie würden nicht eingelöst, wenn das Akzept über 25.000 DM nicht bezahlt werde; sie seien also gegebenenfalls nichts wert (Schriftsatz vom 22. November 1966 Bl. 81 GA). Die Klägerin hatte dies bestritten und erklärt, sie habe erst im September 1965 von Gegenforderungen der Beklagten erfahren.

IV.
Bei diesem Stande der Parteibehauptungen konnte die Klage nicht ohne Beweisaufnahme abgewiesen werden. Es bedarf weiterer Prüfung der Benachteiligungsabsicht der Beklagten und gegebenenfalls der Vereinbarung der Aufrechnung. Die Sache war daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.